Kategorie
Disziplinarrecht – Berufung

Normen:
GG Art. 21 Abs. 2, Art. 65a, Art. 87a Abs. 4 Satz 1, Art. 115b
SG § 6 Satz 2, §§ 8, 10 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, § 37 Abs. 1 Nr. 2
BBG § 77

Leitsätze:
1. Eine verfassungsfeindliche Betätigung früherer Soldaten im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG setzt Aktivitäten feindseliger Art voraus. Darunter fällt auch die Diffamierung und Delegitimierung demokratisch gewählter Staatsorgane.

2. Bei objektiv verfassungsfeindlichen Betätigungen, die nicht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen sind, bildet die Kürzung des Ruhegehaltes den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, sofern nicht der Eindruck einer besonders hohen Identifikation mit einer verfassungswidrigen Weltanschauung entsteht.

Vorinstanz:
TDG Süd 8. Kammer vom 28. Juli 2023
Urteil Vorinstanz:
Freispruch

Volltext:
BVerwG 2 WD 11.22, Urteil vom 14.06.2023

Vorwurf:
Das Verfahren betrifft den Vorwurf, sich als Offizier im Ruhestand im sozialen Netzwerk „Facebook“ durch Äußerungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt zu haben. Die insgesamt 10 Postings kritisierten hauptsächlich die im Frühjahr 2020 verhängten Corona-Schutzmaßnahmen. Das Truppendienstgericht hat ihn freigesprochen, da er nach Ansicht dessen 8. Kammer sich durch die Postings sich nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt habe. Er habe sich zwar eines Soldaten unwürdig verhalten, sei jedoch ein früherer Soldat, der nicht mehr zu Dienstleistungen herangezogen werden könne. Der Gesetzgeber habe durch § 23 Abs. 2 SG für diese Gruppe von Soldaten eine abschließende Regelung getroffen, so dass die an sich verletzten § 8 SG und § 10 Abs. 6 SG keine Anwendung fänden. Die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise Erfolg. Der frühere Soldat hat sich mit diesen Postings als früherer Offizier gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt, was nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG als Dienstvergehen gilt. Dass er zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat und deshalb nicht als Vorgesetzter wiederverwendet werden kann, ist entscheidungsunerheblich, weil sich dieses Tatbestandserfordernis auf § 23 Abs. 2 Nr. 2 in der Alternative 2 SG beschränkt. Der 2. Wehrdienstsenat hat demnach das Ruhegehalt des früheren Soldaten für die Dauer von 24 Monaten um 1/10 gekürzt.

Verletzte Dienstpflichten:
Nachwirkende politische Treuepflicht, sich nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung zu betätigen, § 23 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SG

Regelmaßnahme (1. Stufe):
Danach ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen vorliegend eine Kürzung des Ruhegehalts nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WDO. Denn gegen den früheren Soldaten kann kein Beförderungsverbot ausgesprochen werden, weil der disziplinarische Sanktionskatalog des für ihn maßgeblichen § 58 Abs. 2 WDO – anders als bei aktiven Soldaten (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO) – dies nicht zulässt. Die Kürzung des Ruhegehalts als dem Beförderungsverbot entsprechende Regelmaßnahme ist typischerweise deshalb angemessen, weil der frühere Soldat einerseits über keine verfassungswidrige Gesinnung verfügt, die zur Verhängung der Höchstmaßnahme in Gestalt der Aberkennung des Ruhegehalts führen müsste (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WDO), und er andererseits keine Verhaltensweisen gezeigt hat, die auf eine hohe Identifikation mit einer verfassungswidrigen Weltanschauung schließen lassen und deshalb typischerweise mit einer Dienstgradherabsetzung (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WDO) zu ahnden wären.

Konkrete Maßnahme (2. Stufe):
Kürzung des Ruhegehalts für die Dauer von 24 Monaten um 1/10

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