Glossar

A

Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei Entlassungsbescheiden nach § 80 Abs. 5 VwGO
Normalerweise hat eine Beschwerde gemäß § 23 Abs. 6 Satz 1 WBO aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass die angeordnete Maßnahme aufgrund des Suspensiveffektes nicht vollzogen werden darf, bis über die Beschwerde rechtskräftig entschieden worden ist. Betrifft die Maßnahme jedoch die Begründung, Umwandlung oder Beendigung eines Wehrdienstverhältnisses so entfällt nach § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO die aufschiebende Wirkung. Die Entlassung kann demnach sofort vollzogen werden. Gemäß § 23 Abs. 6 Satz 3 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn die im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung überwiegt.

Außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht
Geregelt in § 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 2 SG. Danach hat sich ein Soldat außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Ein außerdienstliches Verhalten liegt vor, wenn es sich weder während des Dienstes noch innerhalb dienstlicher Anlagen ereignete und auch keinen funktionellen Bezug zum Dienst aufweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 2020 – 2 WD 3.19 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 72 Rn. 23). Zudem muss die Tat geeignet sein, das dienstliche Ansehen des Soldaten ernsthaft zu beeinträchtigen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine Straftat begangen wird, die mit einer Freiheitsstrafe im mittleren Bereich sanktioniert werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2022 – 2 WD 1.21 – juris Rn. 28 m. w. N.). Ist dies nicht der Fall bedarf es zur Begründung einer allein aus Zweifeln an der Rechtstreue des Soldaten resultierenden Disziplinarwürdigkeit einer außerdienstlichen Straftat zusätzlicher Umstände (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Januar 2020 – 2 WD 2.19 – Buchholz 450.2 § 18 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 21). § 17 Abs. 2 Satz 3 SG bildet eine abschließende Regelung für Verfehlungen strafrechtlichen Gehalts außerhalb des Dienstes (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2022 – 2 WD 2.21 – juris Rn. 29 m. w. N.).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 17 II 3 Alt. 2 SG

B

Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr
Tatbestandsmerkmal der Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG. Eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr, also ihres „guten Rufs“ bei Außenstehenden, liegt dann vor, wenn der betreffende Soldat als „Repräsentant“ der Bundeswehr oder eines bestimmten Truppenteils anzusehen ist und sein Verhalten negative Rückschlüsse auf die Streitkräfte als Angehörige eines – an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) gebundenen – Organs des sozialen und demokratischen Rechtsstaats Bundesrepublik Deutschland zulässt (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 WD 24.12 – juris Rn. 27; U.v. 13.2.2008 – 2 WD 5.07 – juris Rn. 74)

Befehl
Nach § 2 Nr. 2 WStG ist als Befehl eine Anweisung zu einem bestimmten Verhalten anzusehen, die ein militärischer Vorgesetzter (§ 1 Abs. 3 SG) einem (militärischen) Untergebenen schriftlich, mündlich oder in sonstiger Weise, allgemein oder für den Einzelfall und mit dem Anspruch auf Gehorsam erteilt. Dabei ist nicht erforderlich, dass vom Anweisenden der Ausdruck „Befehl“ verwendet wird (BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1983 – 1 WB 128.82 – BVerwGE 76, 122). Maßgeblich ist der Erklärungsgehalt nach dem Empfängerhorizont eines objektiven Betrachters (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2013 – 2 WD 25.11 – juris Rn. 45 und vom 21. September 2023 – 2 WD 5.23 – NVwZ-RR 2024, 110 Rn. 16).

D

Dienstausübungsverbot
Nach § 22 Satz 1 SG kann der Bundesminister der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle einem Soldaten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Ausübung des Dienstes verbieten. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch den Soldaten auf seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. April 1978 – 1 WB 159.76 u. a. – BVerwGE 63, 32 <35>, vom 19. November 1998 – 1 WB 36.98 – NVwZ-RR 1999, 323 und vom 28. Oktober 2021 – 1 WRB 2.21 – BVerwGE 174, 94 Rn. 22). Das Dienstausübungsverbot kann nach Nr. 1166 Zentralen Dienstvorschrift A-2160/6 „Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung“ mit einem Verbot, Uniform zu tragen, verbunden werden (vgl. Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2021, § 22 Rn. 31).

E

Eintreten für die freiheitlich demokratische Grundordnung
Geregelt in § 8 Alt. 2 SG. Die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG weiter als die Pflicht zu ihrer Anerkennung gemäß § 8 Alt. 1 SG. Sie wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7.20 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 28). 
Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 8 Alt. 2 SG

Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die Vorschrift soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden.

Ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr
Tatbestandsvoraussetzung des Entlassungstatbestandes des § 55 Abs. 5 SG. Dabei geht es um den guten Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen, namentlich in der Öffentlichkeit, und zwar aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters. Fallbezogen gebe es schon keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vorfall in der Öffentlichkeit bekannt geworden sein könnte (OVG Saarland, Urteil vom 10.06.2020 – 1 A 353/18)

Ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung
Tatbestandsvoraussetzung des Entlassungstatbestandes des § 55 Abs. 5 SG. Eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung sei regelmäßig anzunehmen bei Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigten. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereiches könne in der Regel auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handele oder die begründete Befürchtung bestehe, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handele, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftrete oder um sich zu greifen drohe (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erforderten eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung. (OVG Saarland, Urteil vom 10.06.2020 – 1 A 353/18; st. Rspr. BVerwG, vgl. 2 B 33/10)

F

Faktisches Beförderungsverbot
Klassischer Milderungsgrund bei der Bemessung der konkreten Disziplinarmaßnahme gem. § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO. Sie ist im Rahmen des zweistufigen Prüfungsschemas auf der zweiten Stufe zu prüfen. Setzt voraus, dass eine konkret anstehende Beförderung durch das Disziplinarverfahren verhindert wurde. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die Aushändigung einer bereits erstellten Beförderungsurkunde aktenkundig wegen des Disziplinarverfahrens unterbleibt oder wenn nach Bestehen einer beruflichen Prüfung regelmäßig eine Beförderung erfolgt und dies im konkreten Fall allein wegen des Disziplinarverfahrens entfällt (vgl. 2 WD 20.21 – Rn. 63)

Freiheitlich demokratische Grundordnung
Der Begriff „freiheitliche demokratische Grundordnung“ hat denselben Inhalt wie in Art. 21 Abs. 2 und 3 GG (dazu BVerfG, Urteile vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 – BVerfGE 144, 20 Rn. 530 ff. und vom 23. Januar 2024 – 2 BvB 1/19 – NJW 2024, 645 Rn. 247 ff.). Daraus folgt eine Konzentration auf wenige zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Dazu zählen die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – NVwZ 2022, 1133 Rn. 28).

G

Gehorsamspflicht
Geregelt in § 11 Abs. 1 SG.
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 11 Abs. 1 SG

Gehorsamsverweigerung
Wehrstraftat nach dem Wehrstrafgesetz – § 20 WStG.
Entscheidungen mit Bezug zu § 20 WStG

Gesunderhaltungspflicht
Geregelt in § 17a Abs. 1 SG.
– Entscheidungen zur Dienstpflicht des § 17a Abs. 1 SG

Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache
Zulassungsgrund für die Rechtsbeschwerde nach § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 – 1 WNB 5.11 – Rn. 2 und vom 12. April 2018 – 2 WNB 1.18 – juris Rn. 5, jeweils m. w. N.).

I

Innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht
Geregelt in § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG. Demnach muss das Verhalten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Dienst als Soldat erfordert. Insoweit genügt es, dass das Verhalten geeignet ist, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. April 2021 – 2 WD 15.20 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 91 Rn. 25 m. w. N.). 
Dies schließt die Verpflichtung ein, dienstlichen Anweisungen auch dann zu folgen, wenn ihnen der Befehlscharakter nach § 11 SG i. V. m. § 2 Nr. 2 WStG fehlt (BVerwG, Urteil vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – Buchholz 449 § 8 SG Nr. 2 Rn. 24).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG

K

Kameradschaftspflicht
Geregelt in § 12 Satz 1 SG. Die Pflicht zur Kameradschaft ist nach § 12 Satz 1 SG für den Zusammenhalt der Bundeswehr wesentlich. Sie gilt daher innerhalb und außerhalb des Dienstes (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2022 – 2 WD 1.21 – juris Rn. 31). Schutzgegenstand ist das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Soldaten der Bundeswehr, das für den militärischen Zusammenhalt notwendig ist, unabhängig davon, ob zuvor ein konkretes soziales Näheverhältnis begründet worden ist (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2021 – 2 WD 23.20 – BVerwGE 173, 352 Rn. 34). Sie verpflichtet alle Soldaten gemäß § 12 Satz 2 SG, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten, und verbietet es, durch gewaltsame Übergriffe das Recht auf körperliche Unversehrtheit eines anderen Soldaten zu verletzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2022 – 2 WD 1.21 – juris Rn. 31 m. w. N.).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 12 Satz 1 SG

M

Militärische Ordnung
Tatbestandsmerkmal der Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG. Unter militärischer Ordnung ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Dabei kann es nicht genügen, wenn Randbereiche des Militärischen berührt werden. Im Gegensatz zu der zweiten Alternative, die das Ansehen der Bundeswehr schützen soll, handelt es sich hier um den betriebsbezogenen Schutz, der erforderlich ist, um dem Zweck der Bundeswehr geordnet gerecht werden zu können (BVerwG, U.v. 20.6.1983 – 6 C 2.81 – juris Rn. 20).

Mißhandlung
Wehrstraftat nach dem Wehrstrafgesetz – § 30 WStG.
– Entscheidungen mit Bezug zu § 30 WStG

N

Nachbewährung
Klassischer Milderungsgrund bei der Bemessung der konkreten Disziplinarmaßnahme gem. § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO. Sie ist im Rahmen des zweistufigen Prüfungsschemas auf der zweiten Stufe zu prüfen. Sie setzt in fachlicher Hinsicht eine deutliche Leistungssteigerung oder die Beibehaltung eines hohen Leistungsniveaus voraus (vgl. 2 WD 20.21 – Rn. 62)

P

Pflicht zur Duldung ärztlicher Maßnahmen
Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG müssen Soldatinnen und Soldaten ärztliche Maßnahmen gegen ihren Willen dulden, wenn sie der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen. Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber die wesentliche Grundentscheidung für die Impfpflicht von Soldatinnen und Soldaten getroffen.
Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SG

Pflicht zum treuen Dienen
Geregelt in § 7 SG. Zur Pflicht zum treuen Dienen gehört die Verpflichtung zur Loyalität gegenüber der geltenden Rechtsordnung (BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 – 2 WD 28.18 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 68 Rn. 37 m. w. N.). Sie beinhaltet die Verpflichtung eines Soldaten, das Vermögen des Dienstherrn zu schützen und es insbesondere nicht zu schädigen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2017 – 2 WD 1.16 – juris Rn. 50).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 7 SG

Politische Treuepflicht
Die unabhängig vom Dienstgrad nach § 8 SG bestehende politische Treuepflicht eines Soldaten verlangt von diesem die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 – 2 WD 4.21 – Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 42 m. w. N.).
– Entscheidungen zur Verletzung der politischen Treuepflicht gem. § 8 SG

U

Unangemessene Dauer eines Disziplinarverfahrens
In Fällen, in denen eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme geboten ist, ist eine gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK und Art. 19 Abs. 4, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verstoßende, unangemessene Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 2020 – 2 WD 18.19 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 82 Rn. 75 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann der für die Verfahrensdauer maßgebliche Zeitraum bereits vor dem Gerichtsverfahren beginnen und ein behördliches Vorschaltverfahren umfassen (vgl. EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 – 8453/04, Bayer/Deutschland – NVwZ 2010, 1015 Rn. 44).

Unverbindlichkeit eines Befehls
Ob ein Befehl im Übrigen rechtmäßig ist, insbesondere ob er eine innerdienstliche Anweisung korrekt umsetzt, ist für seine Verbindlichkeit ohne Bedeutung. Denn § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG gilt, sofern ein Befehl nicht ausnahmsweise unverbindlich ist, auch für rechtswidrige Befehle, selbst wenn damit Ordnungswidrigkeiten begangen oder Dienstpflichten verletzt werden (BVerwG, Urteil vom 10. Mai 2022 – 2 WD 7.21 – BVerwGE 175, 118 Rn. 32 m. w. N.). Selbst die Einlegung einer Beschwerde befreit nicht von der Pflicht, möglicherweise rechtswidrige Befehle zu befolgen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 WBO). Sie entfällt erst beim erfolgreichen Antrag auf Aussetzung des Vollzuges nach § 3 Abs. 2 WBO. Unabhängig davon wäre der Soldat von der Verantwortung für die Nichtbefolgung auch nach Maßgabe von § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 SG nicht befreit. Weder wäre ein solcher Irrtum unvermeidbar noch die Einlegung eines Rechtsbehelfes unzumutbar gewesen.

V

Verschärfte disziplinare Verantwortung eines Vorgesetzten
Nach § 10 SG ist ein Vorgesetzter zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet. Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 2020 – 2 WD 20.19 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 84 Rn. 40 m. w. N.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass es der Soldat innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es genügt das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrads (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7.20 – Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 89 Rn. 40 m. w. N.).
Hinsichtlich der Verletzung des § 10 Abs. 6 SG wiegt die Vorgesetztenstellung allerdings nicht erschwerend, weil diese Pflicht eine Vorgesetztenstellung voraussetzt.

Vorläufige Enthebung des Dienstes nach § 126 WDO
Nach § 126 Abs. 1 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist. Mit der vorläufigen Dienstenthebung kann gemäß § 126 Abs. 1 Satz 2 WDO das Verbot verbunden werden, Uniform zu tragen. Nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO kann die Einleitungsbehörde gleichzeitig mit der vorläufigen Dienstenthebung oder später anordnen, dass dem Soldaten ein Teil, höchstens die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird, wenn im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienstverhältnis oder Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

W

Wahrheitspflicht
Geregelt in § 13 SG. Diese ist für die militärische Verwendungsfähigkeit eines Soldaten essenziell. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht kommt schon darin zum Ausdruck, dass sie – anders als z. B. bei Beamten – für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Wer als Soldat in dienstlichen Äußerungen und Erklärungen vorsätzlich unrichtige Angaben tätigt, beschädigt seine persönliche Integrität und militärische Verwendungsfähigkeit. Dies gilt vor allem dann, wenn die Verletzung der Wahrheitspflicht – wie hier – dazu dient, sich eine berufliche oder finanzielle Besserstellung zu erschleichen (BVerwG, Urteil vom 28. März 2019 – 2 WD 13.18 – NZWehrr 2019, 159 – Rn. 20).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 13 SG

Z

Zurückhaltungspflicht
Geregelt in § 10 Abs. 6 SG. Danach haben Offiziere und Unteroffiziere auch außerhalb des Dienstes bei ihren Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich ist, um ihr Vertrauen als Vorgesetzte zu erhalten.
§ 10 Abs. 6 SG erfasst alle Äußerungen, die geeignet sind, das Vertrauen in Vorgesetzte zu erschüttern. Bei der Auslegung ist vom objektiven Erklärungsgehalt auszugehen, wie ihn ein unbefangener Dritter verstehen musste. Dabei sind alle Begleitumstände einschließlich des Kontextes und der sprachlichen und gesellschaftlichen Ebene, auf der die Äußerungen fielen, zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 13. Januar 2022 – 2 WD 4.21 – Buchholz 450.2 § 77 WDO 2002 Nr. 1 Rn. 34 m. w. N.). Maßgeblich für die Deutung ist nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden, sondern der Sinn, den die Äußerung nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. November 2021 – 1 BvR 11/20 – juris Rn. 17 m. w. N.).
Von der in § 10 Abs. 6 SG für Offiziere und Unteroffiziere normierten Pflicht zur Zurückhaltung bei dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen werden wegen des Schutzzwecks der Norm nur solche Äußerungen erfasst, die Untergebenen zu Gehör kommen oder in die Öffentlichkeit dringen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 – 2 WD 1.08 – BVerwGE 132, 179 Rn. 34).
– Entscheidungen zur Dienstpflichtverletzung des § 10 Abs 6 SG

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