Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Die Vorschrift soll die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gewährleisten. Die fristlose Entlassung stellt ein Mittel dar, um eine Beeinträchtigung der uneingeschränkten Einsatzbereitschaft zu vermeiden.

Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann.

Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist: Dies gilt vor allem für Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen. Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr). Jedenfalls die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2013 – 2 B 114.11 -, juris, m.w.N.)

in § 55 Abs. 5 SG eingeräumte Ermessen ist ein „intendiertes“ Ermessen, d.h. bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen soll im Regelfall die Entlassung ausgesprochen werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck in Gestalt einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber bereits auf der Tatbestandebene konkretisiert worden ist. Dies bedeutet, dass für zusätzliche Erwägungen im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach der Gesetzeskonzeption grundsätzlich kein Raum besteht (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 14. April 2021 – 23 L 274/21 -, juris Rn. 34). Daher besteht keine generelle Verpflichtung der Behörde, in jedem einzelnen Falle im Rahmen der Begründung der Entlassungsverfügung bzw. des Beschwerdebescheides ausdrückliche Ermessenserwägungen anzustellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein atypischer Ausnahmefall vorliegt, den der Gesetzgeber in seine vorweggenommene Verhältnismäßigkeitsabwägung nicht schon einbezogen hat bzw. einbeziehen konnte (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2006 – 1 B 1843/05 -, juris Rn. 32, m.w.N.)

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