Kategorie
Entlassungsverfahren
– Einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO – Beschwerde gegen Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung –

Normen:
SG § 55 Abs. 5
WBO § 23 Abs. 6 S. 3

Leitsätze:
Da § 55 Abs. 5 SG mit Blick auf den Tatbestand einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung keinerlei Hinweise auf ein herabgestuftes Beweismaß enthält, ist die volle Überzeugungsgewissheit erforderlich. Es reicht damit nicht der Verdacht, der Soldat habe seine Dienstpflichten wahrscheinlich verletzt. Die Vorschrift rechtfertigt keine „Verdachtsentlassung“. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 16.09.2022 – W 1 S 22.1374

Volltext:
VGH München, Beschluss v. 07.11.2022 – 6 CS 22.2105

Kurz-Sachverhalt:
Der Kläger sei aufgrund von Zeugenaussagen in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hinreichend verdächtig, dadurch seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt zu haben, dass er im Frühjahr/Sommer 2020 seine vierzehnjährige Stieftochter sexuell missbraucht habe. Die Entlassung wurde vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens ausgesprochen. Das Verwaltungsgericht Würzburg lehnte den Antrag des Soldaten ab, da diese die Zeugenaussage der geschädigten Tochter als ausreichend erachtet hatten. Zudem dienen das Strafverfahren und das Entlassungsverfahren unterschiedlichen Zwecken, weswegen mit der Entlassungsverfügung reagiert werden durfte. Der VGH änderte den Beschluss und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an. Da § 55 Abs. 5 SG mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzung einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung – anders als hinsichtlich des Merkmals „ernstliche Gefährdung“ der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr – keinerlei Hinweise auf ein herabgestuftes Beweismaß enthält, ist die volle Überzeugungsgewissheit erforderlich („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“). Es reicht nicht der Verdacht, der Soldat habe seine Dienstpflichten – mehr oder weniger – wahrscheinlich verletzt. Die Vorschrift rechtfertigt keine „Verdachtsentlassung“, unabhängig davon, wie schwer der Vorwurf wiegt.

Entscheidung
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg wird geändert und die aufschiebende Wirkung der Klage des Soldaten gegen den Entlassungsbescheid des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr angeordnet.

Rechtsgrundlage der Entlassung
§ 55 Abs. 5 SG

Verletzte Dienstpflichten
Außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht, § 17 Abs. 2 Satz 3 SG

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