Kategorie
Disziplinarrecht – Berufung
Normen:
WDO § 38 Abs. 1, § 58 Abs. 1 Nr. 4, § 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3, § 84 Abs. 1 Satz 1, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2
StPO § 331
StGB §§ 222, 323c Abs. 1
SG §§ 7, 17 Abs. 2 Satz 1
Leitsätze:
Die Dienstpflicht eines Soldaten zur Ersten Hilfe stellt ebenso wie § 323c StGB auf die Situation ex ante ab. Daher muss einem Verunglückten selbst dann die bestmögliche Hilfe geleistet werden, wenn sie schließlich vergeblich bleibt.
Vorinstanz:
TDG S 6 VL 12/23 – Urteil vom 14. Dezember 2023
Urteil Vorinstanz:
Dienstgradherabsetzung des Majors in den Dienstgrad eines Hauptmanns der Besoldungsgruppe A12
Volltext:
BVerwG 2 WD 11.24 – Urteil vom 17. Dezember 2024
Vorwurf:
„Er befuhr am 30.07.2021 in … (Mali) den Kreuzungsbereich der Hauptstraße zur Klinik ‚…‘, … als Fahrer eines geschützten Toyota LF 200, mit dem amtlichen Kennzeichen …, gemeinsam mit dem — gesondert verfolgten – Beifahrer des Fahrzeugs, Hauptfeldwebel C, wobei er
1. in Folge einer Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt übersah, dass sich auf der linken Fahrspur in dieser Fahrbahn der Zweiradfahrer D mit höherer Geschwindigkeit näherte, welcher seine Geschwindigkeit nicht wie nachfolgende Fahrzeuge und Fahrzeuge auf der rechten Spur reduziert hatte, um dem Soldaten als Wartepflichtigen ein Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Obwohl sich der Zweiradfahrer — wie der Soldat hätte erkennen können und müssen — dem von ihm geführten Geländewagen bereits auf kurze Distanz genähert hatte, fuhr er quer zur Vorfahrtstraße weiter in die von dem Zweiradfahrer genutzte Fahrspur bzw. Fahrlinie ein, so dass es zur Kollision kam und der D von seinem Fahrzeug über bzw. vor den PKW abgeworfen wurde und auf der Fahrbahn aufschlug, wo dieser schwer verletzt liegen blieb und unter anderem eine offene Beinfraktur (rechts) erlitt, die zu einem massiven Blutverlust führte sowie
2. es nach der unter 1.) geschilderten Kollision gegenüber dem — wie der Soldat erkannte – schwer verletzten Zweiradfahrer unterließ, Erste-Hilfe-Maßnahmen einzuleiten, obwohl die Leistung derartiger Hilfe aufgrund der konkreten Umstände erforderlich und für ihn sowohl möglich als auch zumutbar war. Der verletzte Zweiradfahrer verstarb am 02.08.2021 trotz medizinischer Amputation des rechten Beines und einer intensivmedizinischen Versorgung an den Folgen dieses Verkehrsunfalls in einem örtlichen Krankenhaus. „
Verletzte Dienstpflichten:
Pflicht zum treuen Dienen, § 7 SG
Innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht, § 17 Abs. 2 S. 1 SG
Regelmaßnahme (1. Stufe):
In Fällen eines fahrlässig verursachten Verkehrsunfalls mit Todesfolge bildet eine Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, wenn in dienst- oder strafrechtlicher Hinsicht zusätzliche erschwerende Umstände vorliegen. In disziplinarrechtlicher Hinsicht wirkt dabei erschwerend, dass ein Soldat – wie vorliegend – im Rahmen einer Dienstfahrt fahrlässig einen Verkehrsunfall verursacht (BVerwG, Urteile vom 11. Dezember 2018 – 2 WD 12.18 – juris Rn. 34 ff. und vom 23. Januar 2020 – 2 WD 1.19 - juris Rn. 20. Zu sonstigen Fallkonstellationen: BVerwG, Urteile vom 25. August 2017 – 2 WD 2.17 – juris Rn. 52 ff., vom 10. März 2022 – 2 WD 7.21 – BVerwGE 175, 118 Rn. 68 und vom 22. Juni 2023 – 2 WD 10.22 – juris Rn. 27). Bereits auf dieser Bemessungsebene den Grad an Fahrlässigkeit zu berücksichtigen, widerspräche der Ratio der mit der Zweistufentheorie angestrebten Typisierung (BVerwG, Urteil vom 25. August 2017 – 2 WD 2.17 – juris Rn. 51). Denn die Beantwortung, ob eine leichte, mittlere oder grobe Form von Fahrlässigkeit vorliegt, verlangt eine einzelfallbezogene Würdigung, die regelmäßig auf der zweiten Bemessungsstufe erfolgt.
Konkrete Maßnahme (2. Stufe):
Herabsetzung des Majors in den Dienstgrad eines Hauptmanns der Besoldungsgruppe A12 mit Verkürzung der Wiederbeförderungsfrist auf zwei Jahre