BVerwG 2 WD 18.24 – Kürzung der Übergangsbeihilfe wegen reichsbürgertypischer und fremdenfeindlicher Äußerungen

Kategorie
Disziplinarrecht – Berufung

Normen:
SG §§ 8 Alt. 1, 10 Abs. 6, 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2

Leitsätze:
N/A

Vorinstanz:
TDG Nord 10 VL 6/23
Urteil Vorinstanz:
Aberkennung Ruhegehalt

Volltext:
BVerwG 2 WD 18.24 – Urteil vom 19. März 2025

Vorwurf:
„1. Er äußerte zu einem nicht mehr genauer ermittelbaren Zeitpunkt im Zeitraum zwischen dem 1. Mai 2017 und dem 19. Mai 2017 im Gebäude …, …, …, …, gegenüber dem Zeugen, Hauptmann A sinngemäß, dass Deutschland keinen gültigen Friedensvertrag habe. Deutschland sei weiterhin von Amerikanern besetzt und in seiner Entscheidung nicht frei. Entsprechend existiere das Deutsche Reich weiterhin.
2. Er äußerte am 27. Juni 2017 in seinem Dienstzimmer im Stab der …, …, …, …, gegenüber der Zeugin Oberleutnant B, dass muslimische Menschen den Intelligenzquotienten einer Wanze hätten. Bei deren Kindern sähe man schon das Böse in den Augen und dass diese einem etwas Böses wollten. Bei den Eltern sei es noch schlimmer.“

Verletzte Dienstpflichten:
Pflicht zur Verfassungstreue, § 8 SG
Innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht, § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 SG

Regelmaßnahme (1. Stufe):
Bei Soldaten, die in einem aktiven Dienstverhältnis stehen, ist regelmäßig die Höchstmaßnahme zu verhängen, wenn ihr Verhalten Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen Gesinnung – sei sie nationalsozialistischer (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2002 – 2 WD 35.01 – NZWehrr 2002, 257 <257 f.>, vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – BVerwGE 160, 370 Rn. 25 f., vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17.19 – LS 1 – NZWehrr 2021, 20 und vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – NVwZ 2022, 1133 Rn. 36; Beschlüsse vom 29. August 2002 – 2 WDB 6.02 – S. 15 f. und vom 9. Oktober 2019 – 2 WDB 3.19 – juris Rn. 23) oder „reichsbürgerischer“ Art (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2022 – 2 WD 10.21 – LS und NVwZ 2023. 91 Rn. 44) – ist. Denn in diesen Fällen liegt sowohl eine Verletzung der Anerkennungspflicht aus § 8 Alt. 1 SG als auch der Eintretenspflicht aus § 8 Alt. 2 SG vor.
Demgegenüber bildet bei Verhaltensweisen, die nicht von einer verfassungsfeindlichen Gesinnung getragen wurden, aber den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit verfassungsfeindlichem Gedankengut vermitteln, die Dienstgradherabsetzung den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Verhaltensweisen dieser Qualität sind etwa das Erweisen des sogenannten Hitlergrußes (BVerwG, Urteile vom 23. März 2017 – 2 WD 16.16 – juris Rn. 76, vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17.19 – juris LS 2 und Rn. 46 m. w. N., vom 14. Januar 2021 – 2 WD 7.20 – NVwZ-RR 2021, 770 Rn. 35 und vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – NVwZ 2022, 1133 Rn. 27) oder die Leugnung des Holocaust (BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2023 – 2 WDB 13.22 – NVwZ 2023, 1591 Rn. 33 und 35). Ebenso spricht auch in anderen Fällen die strafrechtliche Ächtung eines entsprechenden Verhaltens für die Dienstgradherabsetzung als Regelmaßnahme (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2017 – 2 C 25.17 – BVerwGE 160, 370 Rn. 29, 74, 76, vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17.19 – BVerwGE 168, 323 Rn. 46 und vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – NVwZ 2022, 1133 Rn. 27). Derselbe Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen gilt für Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit der sogenannten Reichsbürgerbewegung vermitteln, weil deren verbindendes Element die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie der bestehenden Rechtsordnung ist (BVerwG, Urteil vom 15. August 2024 – 2 WD 6.24 – NVwZ-RR 2024, 1002 Rn. 65).
Bei niedrigschwelligeren Verhaltensweisen bildet demgegenüber grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen (BVerwG, Urteil vom 4. November 2021 – 2 WD 25.20 – NVwZ 2022, 1133 Rn. 38). Insbesondere bei einmaligen, unüberlegten oder aus jugendlicher Unreife verübten Verstößen dieser Art können gerichtliche Disziplinarmaßnahmen aber auch unangemessen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2020 – 2 WD 17.19 – ‌BVerwGE 168, 323 Rn. 47 f.) und einfache Disziplinarmaßnahmen (§ 22 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WDO) oder erzieherische Maßnahmen (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 WDO) angezeigt sein.

Konkrete Maßnahme (2. Stufe):
Kürzung der Übergangsbeihilfe des früheren Soldaten um ein Viertel

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