BESCHLUSS

BVerwG 1 W-VR 7.23
Bundesverwaltungsgericht – 31.03.2023 – AZ: 1 W-VR 2.23

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 30. Mai 2023 beschlossen:

Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens

über die Anhörungsrüge.

Gründe

I

1
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Anhörungsrüge vom 17. „März“ (gemeint wohl: April) 2023 gegen den Beschluss des Senats vom 31. März 2023 (BVerwG 1 W-VR 2.23 ).

2
Der Antragsteller führt aus, er sei von der Wegversetzung des Beigeladenen von dem streitgegenständlichen Dienstposten nicht in Kenntnis gesetzt worden. Durch diese sei vor der Beschlussfassung des Senats Erledigung eingetreten. Dagegen erledige entgegen der Auffassung des Senats seine Versetzung in den Ruhestand den Rechtsstreit nicht. Er könne noch bis zur Vollendung seines fünfundsechzigsten Lebensjahres als Soldat einberufen werden. Über die Beschwerde gegen seine Zurruhesetzung sei noch zu entscheiden. Zu der überraschenden Rechtsauffassung des Senats sei er nicht gehört worden. Die Entscheidung sei am Tag, mit dessen Ablauf er in den Ruhestand versetzt worden sei, zu spät erfolgt, um effektiven Rechtsschutz zu gewähren.

3
Das Bundesministerium der Verteidigung tritt der Anhörungsrüge entgegen.

4
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

5
Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne ehrenamtliche Richter (BVerwG, Beschluss vom 27. September 2017 – 1 WB 33.17 <1 WB 36.16 > – Rn. 5 m. w. N.).

6
Die Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg, weil eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör weder ausreichend dargelegt ist (§ 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO) noch vorliegt.

7
1. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 <145 f.> und BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 – 1 WNB 1.15 – NZWehrr 2016, 85 <85> m. w. N. und vom 9. Mai 2017 – 1 WNB 3.16 – NZWehrr 2017, 216 <216>). Art. 103 Abs. 1 GG verlangt grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; dem Gericht obliegt insoweit auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht (BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2010 – 1 WNB 4.10 – juris Rn. 16 und vom 11. Oktober 2016 – 1 WNB 2.16 – juris Rn. 8, jeweils m. w. N.). Deshalb ist das Gericht nicht gehalten, unter dem Blickwinkel der Gewährung rechtlichen Gehörs seine die Entscheidung tragende Rechtsauffassung schon vor der Beschlussberatung im Einzelnen festzulegen und den Beteiligten zur Erörterung bekanntzugeben (BVerwG, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 1 WNB 3.16 – NZWehrr 2017, 216 <216>). Ein rechtlicher Hinweis ist nur dann erforderlich, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich sein könnte (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 <190> und BVerwG, Beschluss vom 27. September 2017 – 1 WB 33.17 <1 WB 36.16 > – juris Rn. 8).

8
2. Hiernach ist dem Antragsteller im Eilverfahren weder die Gelegenheit zur Äußerung genommen worden, noch handelt es sich um eine Überraschungsentscheidung. Der Antragsteller ist Volljurist und erfahrener Berufssoldat. Dass die Bundeswehr ihre (förderlichen) Dienstposten nicht mit Soldaten im Ruhestand, sondern mit Soldaten im aktiven Dienst besetzt, um die Erfüllung der Aufgaben der Streitkräfte zu gewährleisten, ist eine naheliegende Erwägung. Ebenso muss sich ihm daher aufdrängen, dass sein auf die Neubescheidung seines Versetzungsantrages gerichtetes Hauptsacheverfahren sich mit seinem Eintritt in den Ruhestand erledigen könnte und dass es zur vorläufigen Sicherung etwaiger Ansprüche auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Auswahlentscheidung der beantragten einstweiligen Anordnung nicht bedarf. Hiernach musste er auch ohne einen rechtlichen Hinweis damit rechnen, dass es für sein Eilverfahren entscheidungserheblich auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ankam und dass dieser wegen seiner unmittelbar bevorstehenden Versetzung in den Ruhestand fraglich war.

9
Im Übrigen ist mit der Anhörungsrüge nichts vorgetragen, was nach Maßgabe der rechtlichen Erwägungen des angegriffenen Beschlusses zu einer anderen Bewertung führen könnte. Insbesondere ist im Beschluss vom 31. März 2023 berücksichtigt, dass die Zurruhesetzung des Antragstellers noch nicht bestandskräftig ist. Ob der Antragsteller bis zur Vollendung seines fünfundsechzigsten Lebensjahres noch einberufen werden kann, ist unerheblich. Solange er sich nicht wieder im aktiven Dienst befindet, hat er keinen Anspruch auf Versetzung auf einen Dienstposten. Dass am Tag der Zurruhesetzung des Antragstellers dessen Eilantrag beschieden wurde, verletzt sein rechtliches Gehör nicht. Eine Gehörsverletzung liegt auch nicht in der unterbliebenen Information über die Wegversetzung des Beigeladenen. Diese war nach den Gründen des angegriffenen Beschlusses weder entscheidungserheblich noch dem Senat zum Zeitpunkt der Entscheidung bekannt.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

11
Diese Entscheidung ist gemäß § 23a Abs. 3 WBO i. V. m. § 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar.

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