BESCHLUSS

BVerwG 1 W-VR 30.22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 6. Juni 2023 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Der Antrag, die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1
Der Rechtsstreit betrifft ein Auswahlverfahren zur Besetzung eines Referatsleiter-Dienstpostens beim …

2
Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad Oberstleutnant (A 14). Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. Dezember 2022 hatte er beantragt, die Bundesministerin der Verteidigung im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens zur Besetzung des nach Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstpostens Referatsleiter … und IT-Verantwortlicher rückgängig zu machen und dieses Stellenbesetzungsverfahren auf Basis seiner Bewerbung mit dem ursprünglichen und verbliebenen Bewerberkreis fortzuführen. Zur Begründung machte er geltend, dass er im diesbezüglichen Auswahlverfahren mitbetrachtet worden sei und als Drittplatzierter abgeschnitten habe. Nachdem die Erst- und die Zweitplatzierte erklärt hätten, den Dienstposten nicht anzunehmen, hätte er zum Zuge kommen müssen. Stattdessen sei ihm mitgeteilt worden, dass er in einem erneuten Auswahlverfahren nicht mehr mitbetrachtet werde.

3
Das Bundesministerium der Verteidigung hatte die Ablehnung dieses Antrags beantragt. Es bestritt den Sachvortrag des Antragstellers als unrichtig. Weder sei das Auswahlverfahren abgebrochen noch der Antragsteller von der Mitbetrachtung ausgeschlossen worden.

4
Unter dem 24. April 2023 legte das Bundesministerium der Verteidigung die Entscheidung der Vizepräsidentin und ständigen Vertreterin der Präsidentin des Bundesamts für das Personalmanagement (vertreten durch den Vizepräsidenten) vom 12. April 2023 sowie die Auswahldokumentation zur Besetzung des hier gegenständlichen Dienstpostens vor.

5
Der Antragsteller hat daraufhin mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 2. Mai 2023 den Rechtsstreit (Eilverfahren) für erledigt erklärt und beantragt,
die ihm im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen.

6
Das Bundesministerium der Verteidigung hat der Erledigungserklärung mit Schreiben vom 10. Mai 2023 unter Verwahrung gegen die Kostentragung zugestimmt.

7
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II

8
Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 22. April 2008 – 1 WB 4.08 – Rn. 8 m. w. N.).

9
Billigem Ermessen entspricht es hier, den Kostenantrag abzulehnen, weil der Antragsteller mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich unterlegen wäre. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO), dass das Auswahlverfahren rechtswidrig abgebrochen wurde und er deshalb einen Anspruch auf Fortsetzung unter den ursprünglichen Bedingungen hat.

10
Zwar gibt der Bewerbungsverfahrensanspruch (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) dem Antragsteller auch ein Recht darauf, dass ein einmal begonnenes Auswahlverfahren zur Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens nicht rechtswidrig, d. h. ohne rechtfertigenden sachlichen Grund, abgebrochen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2022 – 1 W-VR 7.22 – juris Rn. 15 m. w. N.). Dabei kommen Änderungen des Anforderungsprofils im Rahmen eines laufenden Auswahlverfahrens dem Abbruch des bereits eingeleiteten Auswahlverfahrens und der Einleitung eines neuen Auswahlverfahrens gleich; auch sie sind daher nur unter den Voraussetzungen zulässig, die für einen rechtmäßigen Abbruch eines Auswahlverfahrens gelten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2022 – 1 W-VR 18.22 – juris Rn. 30).

11
Ein Fall des Abbruchs des Auswahlverfahrens ist nach der vom Bundesministerium der Verteidigung vorgelegten Auswahldokumentation jedoch nicht erkennbar. Es ist weder dokumentiert noch liegen dahingehende Anhaltspunkte vor, dass das Auswahlverfahren zwischen der Organisationsgrundentscheidung „Förderung“ vom 2. August 2022 und der Auswahlentscheidung vom 12. April 2023 förmlich oder faktisch abgebrochen, das Anforderungsprofil verändert oder der Antragsteller, wie er geltend macht, von der Mitbetrachtung ausgeschlossen wurde. Vielmehr wurde der Antragsteller als einer von fünf Kandidaten, die alle zwingenden Voraussetzungen des unveränderten Anforderungsprofils erfüllten, in den Leistungsvergleich auf der Grundlage der aktuellen dienstlichen Beurteilungen einbezogen, wo er sich jedoch mit einem Gesamturteil von „D (+)“ nicht gegen die Mitbewerber und insbesondere nicht gegen den eindeutig besser beurteilten ausgewählten Bewerber (Gesamturteil „A“) durchsetzen konnte.

12
Vor diesem Hintergrund lässt sich die Darstellung des Antragstellers, auch unter Berücksichtigung seiner eidesstattlichen Erklärung vom 6. Februar 2023, nicht im Sinne der erforderlichen Glaubhaftmachung von anspruchsbegründenden Tatsachen nachvollziehen.

13
Dies gilt zunächst für den Vortrag, dass ihm am 11. August 2022 telefonisch durch den Unterabteilungsleiter I 3 (i. V.) mitgeteilt worden sei, er sei der drittplatzierte Kandidat bei der Auswahl. Dass eine solche Reihung bei – ausweislich der Auswahldokumentation – insgesamt 422 in Betracht kommenden Stabsoffizieren nur wenige Tage nach der Organisationsgrundentscheidung tatsächlich vorlag, erscheint ohne weitere Substantiierung nicht glaubhaft. Insbesondere hat der Antragsteller auch „die Erst- und die Zweitplatzierte“, die seinem Vortrag zufolge erklärt hätten, den Dienstposten nicht anzunehmen, namentlich nicht bezeichnet.

14
Die weitere Behauptung des Antragstellers, der Referatsleiter I 3.1 (i. V.) habe ihm am 17. November 2022 telefonisch mitgeteilt, dass er, der Antragsteller, sich nicht mehr im Kandidatenfeld für den strittigen Dienstposten befinde, steht ersichtlich im Widerspruch zu der Tatsache, dass der Antragsteller nach der Auswahldokumentation bis zuletzt mitbetrachtet wurde. Im Übrigen hat der genannte Referatsleiter der Darstellung des Antragstellers in einer dienstlichen Stellungnahme widersprochen. Es habe an diesem Tage zwar ein Telefonat, jedoch mit einem anderen Inhalt stattgefunden; dem Antragsteller sei lediglich mitgeteilt worden, dass der Abteilungsleiter in der 50. Kalenderwoche 2022 die Vorlage einer Kandidatenliste erwarte, eine solche Liste im Zeitpunkt des Telefonats aber eben noch nicht vorgelegen habe.

15
Ebenfalls unsubstantiiert ist schließlich die Vermutung des Antragstellers, dass es nach den ihm mitgeteilten Informationen „zwei Auswahlentscheidungen (08/2022 und vmtl. 02/2023)“ geben müsse. Dieser Schlussfolgerung des Antragstellers ist ebenso wenig zu folgen wie seiner Deutung der Mitteilungen vom 11. August 2022 und 17. November 2022, auf denen sie beruht.

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